Das Dorf Oberweier wird im 11. und 12. Jahrhundert im Schenkungsbuch des Kloster Reichenbach im Murgtal unter dem Namen „Babinwilare“ erstmals zusammen mit einem Wecel und seinem Sohn Guanno urkundlich erwähnt. Bisher gehörte Oberweier zum sogenannten fränkischen Ufgau. Dieser reichte von der Oos und dem Unterlauf der Murg bis zur Alb.

Oberweier gehörte zur Markgrafschaft Baden-Baden und zum markgräflichen Amt Ettlingen. Dieser Markgrafschaft unterstanden die Stadt Ettlingen, die Dörfer Ettlingenweier, Bruchhausen, Oberweier, Sulzbach, Busenbach, Reichenbach, Etzenrot und Schöllbronn.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts verpfändete Markgraf Hermann VII. von Baden den Ort Oberweier den Brüdern Heinrich und Friedrich von Fleckenstein, die einem elsässischen Adelsgeschlecht angehörten, das mit den Herren von Windeck (Bühl) Familienbeziehungen hatte. Aus dem Jahre 1295 ist eine  Pergamenturkunde mit zwei Siegeln erhalten, in der Gernot von „Bebenwilre“ erwähnt wird.

1307 lösten die Markgrafen Friedrich II. und Rudolf IV. von Baden-Baden das Dorf Oberweier wieder ein.

Im 14. Jahrhundert wird der Ort unter dem Namen „Oberwilre“, das heißt
oberer Weiler, im Gegensatz zu Underwyer, wie Ettlingenweier auch genannt wurde, urkundlich erwähnt. 1362 erklärte Edelknecht Arnold Pfau (Phave) von Rietpur (Rüppurr), dass Ettlingenweier, Bruchhausen und Oberweier ihm von seinem Herrn, dem Markgrafen Rudolf VI. von Baden mit allem Zubehör auf
Lebenszeit übergeben sind und dieselben nach seinem Tod wieder an den Markgrafen zurückfallen.

Als im Jahr 1404 Oberweier nach dieser kurzen Abspaltung wieder in Besitz des Markgrafen von Baden gekommen war, ließ dieser die Güter, Nutzungen und Gefälle seines Landes aufschreiben. In diesem Gültbuch heißt es: „Die dru wilre by Ettlingen, die selben dörffelin ist ein Ding“. Auch in dieser Urkunde des Klosters Reichenbach aus dem Jahre 1100 wird diese Zusammengehörigkeit angeführt.

Erstmals im Diplomator desselben erscheint 1427 der Name „Oberwir“, also in einer der jetzigen Bezeichnung sehr ähnlichen Wortform. 1459 und 1513 finden wir die Schreibart „Oberwyer“.
Ettlingenweier hieß damals „Uonesvilare“ und Bruchhausen trug den schönen Namen „Luitfriedvilare“.

Die drei Dörfer Ettlingenweier, Bruchhausen und Oberweier hatten eine gemeinsame Gemeindeverwaltung, die über die Rechte und Pflichten der Bürger wachte und die Abgaben der drei  Dörfer in einer Summe abführte. Sulzbach und der Rimmelsbacher Hof gehörten auch zum sogenannten „Stab Weier“. Ersteres hatte aber eine eigene Gemeindeverwaltung.

Diese Zugehörigkeit zum Stab und Kirchspiel stammten neben der Markgenossenschaft auch aus jener Zeit, als die gesamten Stabsdörfer im Besitz des Edlen Herrn Luitfried waren. Nach einer alten Urkunde soll einst Sulzbach sogar ein Teil Oberweiers, nach einer anderen Lesung Ettlingenweiers sein, sich aber später abgelöst haben. Möglicherweise erhielt Sulzbach eine eigene Verwaltung als das Kloster Reichenbach Dorfherr wurde.

Oberweier scheint, auch der Sitz der Markgenossenschaft und der Verwaltung gewesen zu sein. Jedoch die Nähe Ettlingenweiers zum Sitz des markgräflichen Obervogts in Ettlingen, verschaffte diesem Dorf die Vorherrschaft und es wurde Sitz des „ Stab Weier“.
Diese Verwaltung nannte man „Gericht“. Es bestand aus zwölf Richtern, die der Markgraf, der seit etwa 1330 Herr des „Stab Weier“ war, aus den Bürgern der drei Dörfer gewählt hatte.

An der Spitze des Gerichts stand der Schultheiß, ein Vertreter des Markgrafen. Der Markgraf hatte die hohe und niedere Gerichtsbarkeit in allen Dörfern des Stabes und in gerichtlichpolizeilichen Fragen unterstand auch Sulzbach und Schluttenbach dem Gericht zu Ettlingenweier. Der Rimmelsbacher Hof war zu Schöllbronn gekommen. Als Zeichen seiner Würde trug der Schultheiß den Gerichtsstab und diese Sinnbild der Macht gab auch seinem Verwaltungsgebiet den Namen „Stab Weier“.

Die gesamten Abgaben mit Ausnahme des Zehnten flossen dem Markgrafen zu. Die Abgaben der drei Dörfer bestanden aus drei Beeten (regelmäßig, grundsteuerartige Abgabe, welche der Herrschaft gewöhnlich auf Georgi (Maibeet) und Martini (Herbstbeet) zu entrichten war. Sie wurde von der Herrschaft auf die ganze Gemeinde ausgeschrieben und dann von den Ortsbeamten auf die einzelnen Bürger nach ihrem Vermögen umgelegt und verteilt, ferner als Beete jährlich 15 Malter Haber und eine jährliche Gülte von 30 Malter Korn, die vom Kloster Reichenbach gelöst wurden (das Kloster Reichenbach hatte nämlich Anteil an dem Zehnten der Kirche in Ettlingenweier).

Die Dehmen und Frevelgelder des ganzen „Stab Weier“ standen dem Markgrafen zu, auch hatte er das Jagdrecht im gesamten Markgenossenschaftswald des Stabes.

Einmal jährlich wurde in Ettlingenweier über alle Stabsdörfer Gericht gehalten. Zu dieser wichtigen Handlung kam der Untervogt von Ettlingen, um beim Gerichtstag den Vorsitz zu führen. Eigentlich war es das Recht des Schultheißen, diesen Platz einzunehmen, denn er trug ja den Gerichtsstab. Aber diese Schultheißen waren in den meisten Fällen gegenüber der Bürgerschaft nicht unparteiisch, da sie das Jahr über gar manches mal mit Richtern und Gemeinden im Streit lagen, besonders wenn der Markgraf einen ortsfremden Schultheißen eingesetzt hatte.

1413 beurkundeten Markgraf Bernhard I. von Baden und Graf Eberhard von Württemberg, dass ihre fünf Schiedsrichter Streitigkeiten entschieden hätten zwischen Oberweier und Schluttenbach und dass sie für die Einhaltung dieser Entscheidung sorgen wollen. Die Geldstrafen für die Vergehen wie mangelnder Kirchenbesuch, Fluchen, Beleidigung, Schlägereien, leichte Diebstähle usw. waren genau im Vogtbuch verzeichnet. Durch das Recht der hohen Gerichtsbarkeit konnte der Markgraf ein Urteil über Leben und Tod fällen. Ob Ettlingenweier auch Sitz der hohen Gerichtsbarkeit war, lässt sich nicht feststellen.

Die große Bindung der Stabsdörfer seit ihrem Bestehen, kam durch die gemeinsamen Wald- und Wiesenrechte innerhalb ihrer Markgenossenschaft.

Das Vieh war Reichtum jener Zeit. Da die Stallfütterung kaum bekannt war, waren die Weiderechte von größter Wichtigkeit. Es ging zwischen den Stabsdörfern nicht immer friedlich zu, wenn es sich um diese Rechte drehte und manche Urkunde  musste verfasst werden,  damit im Stab Weier wieder Friede und Ordnung herrschte. Gerade weil die Stabsdörfer durch Kirche, Verwaltung und Gerichtsbarkeit verbunden waren, mußte ein Weidestreit der stets mit viel Temperament geführt wurde und durch den sich das ganze Dorf betroffen fühlte, oft gefährliche Folgen nach sich ziehen. Ebenso wichtig wie die Weide- waren auch die Waldrechte, aber diese ließen sich leichter abgrenzen und was Bau- und Brennholz betraf, so sorgten die einzelnen Dörfer schon, dass sie zu ihrem Recht kamen. Wie lange der Stab Weier in der ursprünglichen Form und die drei Dörfer in der Verwaltungsgemeinschaft bestanden, lässt sich nicht genau feststellen. Auf Georgi 1822 haben diese Orte jedoch ihre gemeinschaftlichen Wiesen, Äcker und Waldungen unter sich geteilt und hierauf gänzlich getrennt. Bald hatte jede Gemeinde eine eigene Verwaltung gebildet.

Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Eisenbahnlinie der Rheintalstrecke gebaut. Es begann der Kampf um die Haltestellen, von der sich die Gemeinde einen wirtschaftlichen Aufschwung erhoffte.
Die Linie wurde dann auch mitten durch die Gemarkung der Stabsgemeinde Bruchhausen, Oberweier und Ettlingenweier festgelegt. Dabei gab es gute Beschäftigungsmöglichkeiten. Als die Eisenbahn dann fuhr, war der Weg nach Karlsruhe offen.

Die Verkehrserschließung der ländlichen Gebiete und die Industrialisierung der Gesellschaft förderten sich gegenseitig. Ohne die Verkehrserschließung hätte kein Auspendlertum in ländliche Gemeinden entstehen können, ohne die Industrialisierung jedoch wäre weder die Verkehrserschließung noch das Entstehen der vielen Arbeitsplätze für dieses Auspendlertum möglich gewesen. So war die Verkehrserschließung die Voraussetzung dafür, dass die überschüssige, nicht in der Landwirtschaft, doch beschäftigte Bevölkerung, den Lebensunterhalt in außerhalb der Gemeinde gelegenen Fabriken finden konnte. Im Laufe der gesellschaftlichen Industrialisierung waren es zunächst die Städte Karlsruhe, Ettlingen und Rastatt, die als Arbeitsorte in Frage kamen. Bis dahin waren schon viele zu Fuß täglich zur Arbeit gegangen. Da diese Orte für Auspendler nicht so weit entfernt lagen, setzte die Abwanderung aus der Gemeinde nicht ein. Seit der Jahrhundertwende wuchs die Industrialisierung weiter und schuf so zunehmend die Möglichkeit, dass Arbeiter, Angestellte und Beamte in ihrem Heimatort wohnen bleiben und tagsüber zur Arbeit nach auswärts fahren konnten. Eine sprunghafte Steigerung der Arbeitsmöglichkeiten brachte die Industrieanhäufung in Karlsruhe,  Ettlingen und Rastatt.

Die Gemeinde Oberweier ist damit vorwiegend zur Pendlergemeinde geworden. Dadurch, dass Arbeiter, Angestellte und Beamte jeden Abend in ihr Heimatdorf zurückkehren, die meisten ein eigenes Haus, manchmal noch eine kleine Nebenerwerbslandwirtschaft besitzen, verflechten sie diesen Ort in starkem Maße mit der außergemeindlichen Gesellschaft.

Mit dem materiellen Aufschwung ging Hand in Hand eine starke Differenz-ierung. Auch hatte sich das Wesen der Landfamilien grundlegend geändert. Aus der reinen Bauernfamilie wurde die Arbeiterbauernfamilie.

Diese Tatsache stellt auch der Dorfschule eine andere Aufgabe als früher, sie muss jetzt im wahrsten Sinne des Wortes Volksschule sein. Das zeitoffen und weltoffene Dorf von heute fordert auch die zeitoffene Schule.  Diese muss die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Lage des Dorfes und seiner Menschen als Ausgangspunkt ihrer Bildungsarbeit nehmen.

Aus den Trümmern der alten ehrwürdigen 450-jährigen Kapelle, die durch Artillerievolltreffer 1945 zerstört wurde, entstand 1949 eine Pfarrkirche.

Die Gemeinde erhielt auch 1952 einen eigenen Friedhof mit einer sehr schönen, in die Landschaft gut eingefügten Friedhofskapelle.

Zu Beginn der 50er Jahre mussten sich die Einwohner/innen von Oberweier auch dem Flüchtlingsthema stellen. Über 100 Flüchtlinge aus Jugoslawien, der Tschechoslowakei und Ungarn waren aufzunehmen und anzusiedeln.

Ungeheure Mühen und große materielle Aufwendungen verursachte 1959 die Schaffung der neuen Wasserversorgung der stetig anwachsenden Gemeinde. Ein Industriegebiet wurde geschaffen, das nicht nur mittelständischen Firmen, sondern auch Firmen mit Weltruf Betriebsstätte ist und damit auch Bürgern aus Oberweier Arbeitsplätze bietet.

Im Jahre 1971 wurde der von der politischen und der Kirchengemeinde gemeinsam erstellte Kindergarten seiner Bestimmung und an die Kirchengemeinde übergeben. In diesem Kindergarten finden Kinder jeder Konfession Aufnahme. Er ist in die Jahre gekommen und wurde in diesem Jahr vollrenoviert und an die heutigen Erfordernisse angepasst.

Im Zuge der von der Landesregierung in Stuttgart beschlossenen Gemeindereform wurde die bis 1974 selbstständige Gemeinde Oberweier in die im Oktober 1974 neu gebildete Stadt Ettlingen als Stadtteil Oberweier mit aufgenommen. Das Leben in diesem Stadtteil ging aber fast wie gewohnt weiter. Das Baugebiet „Im Roth“ wurde erschlossen und bebaut, die Einwohnerzahl nahm zu, Oberweier behielt trotzdem seinen liebevollen dörflichen Charakter.

Im Jahre 1978 wurde die St. Wendelin Kirche (nach einigen groß angelegten Um- und Erweiterungsbauten) ihrer Bestimmung übergeben. Auch sie ist ein Schmuckstück unseres Stadtteils, auch bei ihr besteht jetzt Renovierungsbedarf.

Dem wachsenden Bedürfnis der örtlichen Vereine, sich als tragende Säulen am gesellschaftlichen Leben in unserem Stadtteil besser beteiligen und sich gemäß ihrem Vereinszweck besser darstellen zu können, kam die Errichtung der Waldsaumhalle sehr zugute. Sie ist seit ihrer Einweihung im Jahr 1983 deshalb auch Mittelpunkt des kulturellen und gesellschaftlichen Geschehens in Oberweier. In ihr finden Vereinsfeste, Konzerte und viele andere Veranstaltungen statt.

Jahrzehnte lang waren die Gasthäuser „Zur Sonne“ und „Zum Rappen“ mit ihren Gasträumen und Sälen die Plattform für das gesellschaftliche Leben im Dorf. Am Stammtisch konnten die Themen der Zeit diskutiert, im Saal Familienfeiern jedweder Art und Vereinsveranstaltungen abgehalten werden.

Auch sie mussten, wie Dreschhalle, Milchhäusle, Hummelstall und Kelterei den Veränderungen der Zeit weichen. Auch die einst vorhandenen Lebens- mittelläden konnten den Anforderungen und Bedürfnissen der Einwohnerschaft nicht mehr gerecht werden und stellten ihre einst so wichtigen Dienstleistungen ein.

Die Partnerschaft mit der französischen Gemeinde Etoges/Champagne fand 1973 ihren Anfang und wurde 1994 auf die Nachbargemeinden Férebrianges und Beaunay erweitert.

Unter Federführung des Turn- und Sport- und des Musikvereins finden regelmäßig gegenseitige Besuche statt, freundschaftliche Bande sind geknüpft und werden gepflegt.
Gerade durch die jährlichen Schüleraustausche zieht in Oberweier immer wieder merklich französisches Leben ein, wird die Einwohnerschaft an diese Verbindung über den Rhein hinweg erinnert.

 

Oberweier hat rund 1.300 Einwohner, was  sich aber in nicht allzu langer Zeit verändern wird, weil mit dem Baugebiet „Gässeläcker“ gerade junge Familien Gelegenheit erhalten Wohnraum für sich zu schaffen. Für den Ort wird es zu einem merklichen Anwachsen der Bewohner kommen, die Gemeinschaft wird sich vergrößern, Vereine, Institutionen, alle gesellschaftlichen Zusammenschlüsse, Schule und Kindergarten, werden davon profitieren.

Text aus unserer Festschrift zum 75 jährigen Jubiläum 2015.

Ortschronik zusammengefasst von Karlheinz Grässer

 

 

 

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